Brachycephales Syndrom beim Hund

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Nadja Sukalia
Online Redaktion

In der Welt der Hunde gibt es eine Vielzahl von Rassen, jede mit ihren eigenen einzigartigen Eigenschaften und Merkmalen. Unter diesen Rassen haben besonders die brachycephalen Hunde – bekannt für ihre kurzen Nasen und flachen Gesichter – in den letzten Jahren sowohl an Popularität als auch an Kontroversen gewonnen. Diese Hunde, darunter Rassen wie der Mops, die französische Bulldogge und der Boston Terrier, sind für viele Menschen unwiderstehlich. Aber hinter ihrem charmanten Aussehen verbirgt sich eine Reihe von gesundheitlichen Herausforderungen, hauptsächlich aufgrund ihrer besonderen Anatomie.

Was bedeutet „Brachycephalie“ beim Hund?

Die Brachycephalie beschreibt eine bestimmte Kopfform bei Hunden, bei der die Schädelknochen – insbesondere die Nase und der Oberkiefer – verkürzt sind. Das führt dazu, dass der Schädel flacher und breiter erscheint. Dieser Begriff stammt aus dem Griechischen und setzt sich aus den Wörtern brachys für „kurz“ und kephale für „Kopf“ zusammen. Bei brachycephalen Hunden sind oft nicht nur der Schädel und die Nase verkürzt, sondern auch die gesamte Schnauze. Das Ergebnis ist das charakteristische „flache Gesicht“ dieser Hunde.

Ist die Brachyzephalie als Krankheit anzusehen?

Brachycephalie ist keine Krankheit an sich, sondern eine genetische Eigenschaft, die durch gezielte Zucht entstanden ist. Viele Menschen finden das flache Gesicht von Hunden wie dem Mops oder der französischen Bulldogge besonders ansprechend. Allerdings bringt diese besondere Kopfform auch gesundheitliche Probleme mit sich, die in ihrer Summe als „Brachycephales Obstruktives Syndrom“ oder BOS bezeichnet werden. Daher, obwohl Brachycephalie keine Krankheit ist, kann sie zu gesundheitlichen Problemen führen, die als Krankheiten klassifiziert werden.

Welche Hunderassen sind typischerweise brachycephal?

Zu den brachycephalen Hunderassen gehören unter anderem:

  • Mops
  • Französische Bulldogge
  • Englische Bulldogge
  • Boston Terrier
  • Boxer
  • Pekingese
  • Shih Tzu
  • Cavalier King Charles Spaniel

Jedoch sind nicht alle diese Rassen in gleichem Maße betroffen. Manche Hunde können stärker brachycephale Züge aufweisen als andere.

Was versteht man unter dem „Brachycephalen Obstruktiven Syndrom“ (BOS)?

Das Brachycephale Obstruktive Syndrom (BOS) ist eine Sammlung von Atemwegserkrankungen, die häufig bei brachycephalen Hunden vorkommen. Aufgrund ihrer speziellen Kopf- und Schnauzenform haben diese Hunde oft verengte Nasenöffnungen, einen verlängerten weichen Gaumen und verkleinerte Atemwege. Das macht das Atmen für sie oft schwierig und kann zu einer Reihe von gesundheitlichen Problemen führen.

Zu den Symptomen des BOS gehören:

  • Lautes Atmen oder Schnarchen
  • Anfälligkeit für Hitzschlag
  • Anstrengung beim Atmen
  • Husten oder Würgen
  • Atemaussetzer im Schlaf
  • Diese Symptome können von mild bis schwer variieren und die Lebensqualität des Hundes erheblich beeinträchtigen.

Wie äußern sich anatomische Veränderungen beim BOS?

Das Brachycephale Obstruktive Syndrom (BOS) zeigt sich durch eine Reihe anatomischer Veränderungen im Kopf und in den Atemwegen des Hundes. Zu diesen Veränderungen gehören:

  • Stenotische Nasenlöcher sind verengt und können das Einatmen behindern. Auf den ersten Blick wirken die Nasenlöcher kleiner und enger als bei anderen Hunden.
  • Ein verlängerter weicher Gaumen kann in die Luftröhre ragen und dadurch den Luftstrom blockieren. Dies ist eine der Hauptursachen für das laute Atmen und Schnarchen bei brachycephalen Hunden.
  • Zusätzlich zu den bereits genannten Problemen können brachycephale Hunde eine allgemeine Verengung der Atemwege aufweisen, was das Atmen weiter erschwert.
  • Die Luftröhre kann bei einigen brachycephalen Hunden kleiner als normal sein, was die Atmung beeinträchtigt.

Welche diagnostischen Maßnahmen gibt es für das BOS?

Um das BOS bei einem Hund zu diagnostizieren, stehen Tierärzten verschiedene Methoden und Verfahren zur Verfügung. Oft beginnt die Diagnostik mit einer allgemeinen körperlichen Untersuchung, bei der der Tierarzt den Hund beobachtet, wie er atmet, und auf Anzeichen von Atemnot achtet. Mittels eines Endoskops werden die inneren Strukturen der Nase, des Rachens und der Luftröhre direkt betrachtet. Dies gibt einen detaillierten Einblick in die Veränderungen, die das BOS verursachen. Mit Röntgenaufnahmen können Tierärzte die Struktur der Atemwege und des Brustkorbs untersuchen. Dies kann helfen, die Schwere des BOS sowie andere damit verbundene Erkrankungen zu identifizieren. Bluttests können verwendet werden, um nach Anzeichen von Sauerstoffmangel oder anderen gesundheitlichen Problemen zu suchen, die durch das BOS verursacht werden könnten.

Wie erkennen Halter Symptome von Schweratmigkeit bei ihrem Hund?

Es gibt verschiedene Anzeichen und Warnsignale, die Hundebesitzer beachten sollten, um Atemprobleme bei ihrem brachycephalen Hund zu erkennen. Lautes Atmen oder Schnarchen ist oft eines der ersten Anzeichen und kann besonders auffällig sein, wenn der Hund schläft. Wenn Ihr Hund schnell oder mit sichtbarem Aufwand atmet, kann dies auf Atemnot hinweisen. Bei einigen Hunden kann es sogar zu kurzen Atemaussetzern kommen, besonders während des Schlafs. Eine bläuliche Zunge oder Zahnfleisch kann ein Zeichen dafür sein, dass der Hund nicht genug Sauerstoff bekommt. Ein Hund, der Atemprobleme hat, kann körperliche Aktivität vermeiden oder sich nach kurzer Aktivität schnell erschöpfen. Häufiges Würgen oder Husten kann ein Zeichen dafür sein, dass der Hund Schwierigkeiten hat, Luft durch die Atemwege zu bekommen.

Welche Therapien stehen für das BOS zur Verfügung?

Für Hunde mit BOS gibt es sowohl konservative als auch chirurgische Therapieoptionen. Die Wahl der Therapie hängt von der Schwere des BOS und dem Gesundheitszustand des Hundes ab. Übergewicht kann die Atemprobleme verschlimmern. Eine Gewichtsreduktion kann die Atmungssymptome bei manchen Hunden verbessern.Entzündungshemmende Medikamente können helfen, Schwellungen in den Atemwegen zu reduzieren und die Atmung zu erleichtern. Bei schwereren Fällen kann eine Operation erforderlich sein, um die Atemwege zu erweitern und die Atmung zu erleichtern.

Was beinhaltet die spezielle „Atemnot-OP“ bei brachycephalen Hunden?

Die sogenannte „Atemnot-OP“ zielt darauf ab, die Atemwege des Hundes zu erweitern, um die Atmung zu erleichtern. Dies kann durch verschiedene Eingriffe erreicht werden. Bei der Erweiterung der Nasenlöcher wird überschüssiges Gewebe entfernt, um die Nasenlöcher zu erweitern und die Atmung zu erleichtern. Der Chirurg kann aber auch eine Kürzung des weichen Gaumens durchführen. Ein zu langer weicher Gaumen kann die Luftröhre blockieren. Durch seine Kürzung wird der Luftstrom verbessert.

Warum gilt die Gaumensegel-OP als Standardbehandlung bei diesen Rassen?

Das Gaumensegel-OP, medizinisch auch als „Palatoplastik“ bezeichnet, gilt bei brachycephalen Hunderassen als Standardbehandlung aus mehreren wichtigen Gründen. Brachycephale Hunde besitzen aufgrund ihrer Zucht und der damit einhergehenden Verkürzung des Schädels oft ein verlängertes Gaumensegel. Dieses überlange Gaumensegel kann in den Rachenraum hineinragen und somit den Luftstrom behindern, was zu Atemnot führt. Bei vielen brachycephalen Hunden stellt das verlängerte Gaumensegel die primäre Ursache für Atemwegsbeschwerden dar. Daher steht die Kürzung des Gaumensegels im Vordergrund, um eine freie Atmung zu ermöglichen. Viele Hunde, die eine Gaumensegel-OP unterzogen wurden, zeigen eine unmittelbare Verbesserung ihrer Atmungsbeschwerden. Das Atmen fällt leichter, die Anzahl der Atemnotepisoden verringert sich, und der Hund kann ein aktiveres und gesünderes Leben führen. Während jede Operation Risiken birgt, hat sich die Gaumensegel-OP bei entsprechend erfahrenen Tierärzten und unter Beachtung aller Sicherheitsmaßnahmen als verhältnismäßig komplikationsarm erwiesen. Bei jüngeren Hunden kann die Operation präventiv durchgeführt werden, um das Risiko zukünftiger Atemwegsprobleme und damit einhergehender Folgeerkrankungen zu verringern.

Was versteht man unter der Kehlkopfstabilisierung (Laryngoplastik)?

Die Kehlkopfstabilisierung, auch Laryngoplastik genannt, ist ein chirurgischer Eingriff, bei dem der Kehlkopf stabilisiert wird, um das Einklappen der Larynxseitenwände während der Atmung zu verhindern. Dieser Eingriff wird oft bei Hunden durchgeführt, bei denen andere chirurgische Eingriffe nicht ausreichend waren.

Warum ist Narkose bei brachycephalen Hunden besonders risikobehaftet?

Brachycephale Hunde haben aufgrund ihrer anatomischen Besonderheiten ein erhöhtes Risiko bei Narkosen, denn die verengten Atemwege können das Einführen eines Tubus erschweren und das Risiko eines Atemstillstands erhöhen. Aufgrund ihrer Atemprobleme können brachycephale Hunde empfindlicher auf Narkosemittel reagieren und postoperative Atemkomplikationen entwickeln.

Wie sieht die Nachsorge nach einer BOS-Operation aus?

Nach einem chirurgischen Eingriff zur Behandlung des BOS ist eine sorgfältige Nachsorge wichtig. Nach der Operation sollten regelmäßige Kontrolluntersuchungen beim Tierarzt stattfinden, um den Heilungsverlauf zu überwachen. Der Tierarzt wird wahrscheinlich Schmerzmittel oder Entzündungshemmer verordnen, um den Heilungsprozess zu unterstützen. Es ist wichtig, den Hund in den ersten Wochen nach der Operation ruhig zu halten und körperliche Anstrengungen zu vermeiden. Halter sollten die Atmung ihres Hundes genau überwachen und bei Auffälligkeiten sofort einen Tierarzt aufsuchen.

Inwiefern sind die Augen von brachycephalen Hunden gefährdet?

Die besondere Kopfform von brachycephalen Hunden macht sie anfällig für eine Reihe von Augenproblemen.  Durch ihre flache Gesichtsform haben viele dieser Hunde hervorstehende Augen, die leichter verletzt werden können und weniger geschützt sind. Das ist als Exophthalmus bekannt.  Entropium und Ektropium sind Zustände, bei denen sich das Augenlid nach innen (Entropium) oder außen (Ektropium) dreht, was zu Reizungen und Geschwüren der Hornhaut führen kann. Einige brachycephale Rassen neigen zu unzureichender Tränenproduktion, was zu trockenen, gereizten Augen (Keratoconjunctivitis sicca) führen kann. Da die Augen oft exponiert sind, können sie leichter verkratzt oder verletzt werden.

Welche zahnmedizinischen Probleme können bei diesen Hunden auftreten?

Trotz ihres kurzen Schädels haben brachycephale Hunde die gleiche Anzahl an Zähnen wie andere Rassen, was zu Überfüllung und anderen dentalen Problemen führen kann:

  • Überfüllung kann zu Fehlstellungen der Zähne führen, was wiederum das Risiko von Zahnstein und Parodontitis erhöht.
  • Epuliden sind gutartige Wucherungen des Zahnfleisches, die durch Überfüllung und Zahnfleischreizung auftreten können.
  • Durch die dichte Zahnstellung können Essensreste leichter hängen bleiben, was das Risiko für Zahnfleischentzündungen und Parodontitis erhöht.

Warum sind Bandscheibenvorfälle bei bestimmten brachycephalen Rassen verbreitet?

Nicht nur die besondere Kopfform, sondern auch die Körperstruktur einiger brachycephaler Rassen macht sie anfällig für Bandscheibenvorfälle. Einige Rassen wie der Mops oder die Französische Bulldogge haben genetische Prädispositionen für Bandscheibenerkrankungen. Aber auch der Körperbau spielt eine Rolle. Kurze Beine und ein relativ langer Rumpf können das Risiko für Bandscheibenvorfälle erhöhen. Zudem können übermäßige Sprünge oder eine unsachgemäße Haltung die Wirbelsäule belasten.

Weshalb sind Kaiserschnitte bei einigen dieser Rassen häufig?

Die besondere Anatomie brachycephaler Rassen bringt auch reproduktive Herausforderungen mit sich. Denn viele brachycephale Welpen haben relativ große Köpfe im Vergleich zur Beckenbreite der Mutter, was den natürlichen Geburtsprozess erschweren kann. Außerdem können Stress und die Anstrengung der Geburt bei Hündinnen mit BOS zu ernsthaften Atemproblemen führen. Die Geburt kann für Hündinnen dieser Rassen besonders anstrengend sein, wodurch das Risiko von Komplikationen steigt.

Wie können Hundehalter die Atmung ihres brachycephalen Hundes unterstützen?

Brachycephale Hunde benötigen besondere Aufmerksamkeit, um Atemproblemen vorzubeugen. Hier sind einige praktische Tipps:

  • Vermeiden Sie Spaziergänge in der heißen Mittagssonne und sorgen Sie dafür, dass Ihr Hund immer Zugang zu einem kühlen, schattigen Ort hat.
  • Übergewicht kann die Atmungsbeschwerden von brachycephalen Hunden verschärfen. Eine ausgewogene Ernährung und regelmäßige Bewegung sind essenziell.
  • Verwenden Sie statt eines Halsbands ein Geschirr, um Druck auf den Hals und die Atemwege zu vermindern.
  • Intensive Übungen können die Atmung belasten. Optimal sind kurze, regelmäßige Spaziergänge statt langer, anstrengender Läufe.
  • Bei trockener Luft kann ein Luftbefeuchter helfen, die Atmung zu erleichtern.
  • Regelmäßige tierärztliche Kontrollen. Frühzeitige Erkennung von Problemen kann die Prognose verbessern und mögliche Komplikationen vermindern.

Wie beeinflusst die Zuchtpraxis das Auftreten von Brachyzephalie und BOS?

Die Zuchtpraxis spielt eine wesentliche Rolle bei der Entstehung und Verbreitung von Brachyzephalie und den damit verbundenen gesundheitlichen Problemen. Historisch gesehen wurden brachycephale Hunde aufgrund ihrer einzigartigen Erscheinung gezüchtet, wobei die gesundheitlichen Bedenken oft in den Hintergrund traten. Da Brachyzephalie ein erbliches Merkmal ist, verstärkt das gezielte Züchten von Hunden mit extrem kurzen Schädeln das Problem. Aufgrund der gesundheitlichen Probleme, mit denen brachycephale Hunde konfrontiert sind, gibt es wachsende ethische Bedenken gegen das Züchten dieser Rassen. Einige Tierärzte und Tierschützer fordern strengere Zuchtstandards und eine Abkehr von extremen physischen Merkmalen. Züchter sollten potentielle Hundebesitzer über die gesundheitlichen Herausforderungen informieren, denen brachycephale Rassen gegenüberstehen. Es gibt Bestrebungen, Zuchtstandards zu überarbeiten, um die Gesundheit über das Aussehen zu stellen und so das Wohl der Hunde zu verbessern.

Fazit:

Brachycephale Hunde mit ihren markanten Gesichtszügen sind zweifellos bezaubernd und haben die Herzen vieler Hundeliebhaber erobert. Doch wie dieser Leitfaden zeigt, geht ihre besondere Erscheinung mit einer Reihe von gesundheitlichen Herausforderungen einher. Das Verständnis und die Anerkennung dieser Herausforderungen sind entscheidend für ein langes, gesundes und glückliches Leben dieser Hunde. Während einige der gesundheitlichen Probleme durch moderne veterinärmedizinische Praktiken behandelt werden können, liegt es letztlich in der Verantwortung der Züchter, Hundebesitzer und der gesamten Gemeinschaft, das Wohl dieser Tiere zu priorisieren. Eine informierte Zuchtpraxis, regelmäßige tierärztliche Kontrollen und eine proaktive Pflege können einen signifikanten Unterschied im Leben dieser besonderen Vierbeiner machen. Es ist unsere gemeinsame Pflicht, sicherzustellen, dass Beliebtheit und Modeerscheinungen nicht auf Kosten des Wohlergehens unserer treuen Begleiter gehen.

Qualitätsprüfung

Experte

Dr. med. vet. Volker Moser, studierte an der Veterinär-Universität Wien und schrieb seine Dissertation auf dem Gebiet Molekularmedizin (Tumorgenetik). Seit 1997 arbeitet Dr. Moser als selbstständiger Tierarzt im Bereich der Kleintiermedizin, Wiederkäuer- und Pferdemedizin. Zahlreiche Fort- und Zusatzausbildungen und seine ständige Mitarbeit in diversen Kleintierkliniken und -praxen runden seine jahrelange Berufspraxis ab. Dr. Moser engagiert sich seit 1998 in der ÖTK und VÖK und ist seit 2021 Generalsekretär bei UEVP (Union of European Veterinary Practitioners). Er ist Autor zahlreicher wissenschaftlicher und klinischer Publikationen in Fachzeitschriften.
Zuletzt geändert: Mai 7, 2024



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